Im Nordwesten des Bielefelder Stadtbezirks Mitte wird mächtig gebaut. Hier, auf 8 Hektar, entsteht das neue Wohnquartier „Grünheide“ – mit rund 700 Wohneinheiten das derzeit größte der 330.000 Einwohner zählenden ostwestfälischen Metropole. Auch was das Energiekonzept betrifft, setzen die Planer hier auf Superlative: Ziel ist es, den Großteil der Gebäude zu 100 Prozent mit erneuerbaren Energien zu beheizen: 398 Wohneinheiten sind zu einem zukunftsfähigen Energiequartier zusammengefasst, auf einen Gasanschluss wird hier komplett verzichtet. Mondas wurde mit dem komplexen Daten-Monitoring beauftragt.

Der erste Bauabschnitt des im Endausbau 398 Wohneinheiten umfassenden Energiequartiers Grünheide ist bereits fertiggestellt – und zum Teil auch schon bezogen.
Anspruchsvolles Versorgungskonzept
Das vom Bielefelder TGA-Planer Reich + Hölscher entwickelte Versorgungskonzept ist technisch anspruchsvoll und angesichts der derzeitigen Energiemarkt-Entwicklung besonders nachhaltig und zukunftssicher: Die Wärme wird über vier in Kaskade geschaltete elektrische Luft-Wärmepumpen aus der Umweltwärme gewonnen. Untergebracht sind die Anlagen in einer Energiezentrale, von der aus die Gebäude über ein Niedertemperatur-Nahwärmenetz (T=45 °C) versorgt werden.
Für die Fußbodenheizungen der gut gedämmten und in den Energiestandard KfW55 und KfW45+ gebauten Wohnungen reicht dieses Temperaturniveau vollkommen aus. Lediglich das Brauchwarmwasser wird vor Ort elektrisch auf die erforderlichen 65 °C nacherhitzt.
Die Kombination aus niedriger Vorlauftemperatur und geringer Temperaturspreizung pro Wärmepumpe führt Simulationen zufolge zu einer für Luft-Wärmepumpen ungewöhnlich hohen Jahresarbeitszahl von 4,2.


Energiebilanz Wärmeerzeugung und Bereitstellung im Energiequartier Grünheide (Quelle: Reich + Hölscher Ingenieurbüro)
Heizen mit natürlichen Ressourcen
Im Wärmenetz Grünheide ist die allseits diskutierte Sektorenkopplung bereits vollzogen.
Auf den Dächern der entstehenden Wohngebäude werden 29 Photovoltaikanlagen mit insgesamt 680 kWp Leistung installiert, die umweltfreundlichen Strom für die Haushalte und zum Antrieb der elektrischen Luft-Wärmepumpen produzieren. Der Restbedarf wird mit zertifiziertem Ökostrom gedeckt.
Um Strombedarf und -erzeugung ausgleichen zu können, werden dezentral Batteriespeicher mit einer Gesamtkapazität von über 428 kWh installiert. Damit lassen sich Solarstromüberschüsse am Tag für den Strombedarf bei Nacht speichern. Die TGA-E-Planung stammt von dem Bielefelder Ingenieurbüro Schröder & Partner.
Die nachfolgende Grafik zeigt die voraussichtliche Energiebilanz für die Wärmeversorgung im Quartier.
» Die Versorgung ganzer Wohnquartiere mit Wärme aus Erneuerbaren Energien ist nötig, und auch möglich. Es bedarf nur der konsequenten Nutzung von Big Data – bei der Simulation vor der Anlagenplanung wie auch im dauerhaften Betrieb. «
Dipl.-Ing. Michael Kapke, Inhaber des TGA-Ingenieurbüros Reich + Hölscher, Bielefeld

Prinzipskizze Energiekonzept Grünheide: In der Energiezentrale (linkes grün umrandetes Feld) befinden sich vier in Kaskade geschaltete Luft-Wärmepumpen mit jeweils 180 kW Leistung. Gebäudeseitig (rechtes Feld) wird die erzeugte Wärme zur Fußbodenheizung verwendet. Die elektrische Nacherhitzung des Brauchwarmwassers erfolgt elektrisch mit der Kraft von Solarstrom. Dezentrale Batteriespeicher sorgen für den Ausgleich von Energieangebot und Nachfrage. (Quelle: Reich + Hölscher Ingenieurbüro)
Daten-Monitoring mit mondas®
Mondas konzipierte in Kooperation mit unserem langjährigen Partner Enerquinn GmbH ein speziell auf das Energiequartier Grünheide zugeschnittenes Daten-Monitoring.
Hiermit können die Verbrauchs- und Erzeugungsdaten von Wärmepumpen und Photovoltaikanlagen, von Batterie- und Wärmespeicher sowie die Verbrauchswerte in den Hausanschlussstationen erfasst und analysiert werden.
Kosten sparen, Betrieb optimieren
Mit der mondas® IoT-Plattform wird eine kostenmindernde und ertragssteigernde Betriebsführung der Energieanlagen und Batteriespeicher möglich. Soll überschüssiger Solarstrom besser zur Wärmeerzeugung verwendet oder besser zwischengespeichert und später netzdienlich ins Stromnetz eingespeist werden? Wie lässt sich der Reststrombezug reduzieren, wenn Wettervorhersagen in die Betriebsführung eingebunden werden, beispielsweise um Solarstromerträge bestmöglich zu nutzen und Speicherverluste zu minimieren?
Sobald der Strommarkt einen netzdienlichen Betrieb mit einem entsprechenden Tarif abbildet, strebt der Betreiber des Wärmenetzes einen strommarktdienlichen Betrieb auf der Basis einer modellprädiktiven Regelung der Erzeugungsanlagen an. mondas® stellt dann die Sollwertvorgaben an die Regelung über eine Schnittstelle sicher. Im Betrieb ermöglicht die Software eine ökologisch-ökonomisch optimierte Steuerung und Regelung des komplexen Energiesystems.
Mit der mondas® IoT-Plattform wird zudem das Inbetriebnahme-Management erleichtert.
Fazit: Ein zukunftssicheres Wohnquartier
Mit der praktisch kompletten Abwendung von fossilen Energien setzt das Energiequartier Grünheide ein Zeichen für eine neue Energieversorgung im Zeitalter von Klimawandel und Energiekrise.
Der erste Bauabschnitt des Wohnquartiers wurde bereits fertig gestellt und übergeben. Die Energiezentrale befindet sich bei Redaktionsschluss noch im Bau. Die Verlegung des Wärmenetzes soll August 2022 beginnen, die Fertigstellung des gesamten Wohnquartiers Grünheide ist für ca. 2025 geplant.
Steckbrief Energiequartier Bielefeld – Grünheide
Standort: Bielefeld Innenstadt/Jöllheide
Bebaute Fläche: 8 ha
Größe Energiequartier: 398 Wohneinheiten in Mehrfamilienhäusern
Gebäude-Energiestandard: KfW40+ und KfW55
Wärmebedarf: ca. 1.200 MWh/a
Wärmenetz 4.0: Vorlauftemperatur T= 45 °C
Raumwärme: Fußbodenheizungen, T= 40 °C
Warmwasserbereitung: Elektrische Nacherhitzung auf T= 65 °C
Wärmeerzeugung: 4 monovalente Luft-Wärmepumpen à 180 kW, in Kaskade geschaltet
Stromerzeugung: 29 Photovoltaikanlagen, insgesamt 680 kWp
Reststrombezug: Zertifizierter Ökostrom
Batteriespeicher: 428 kWh Speicherkapazität
Realisation
Investorin: Amandla International GmbH & Co. KG, Unna
Energiekonzept: Reich + Hölscher Ingenieurbüro, Bielefeld
TGA-E-Planung: Schröder & Partner Ingenieure, Bielefeld
MSR-Technik: Enerquinn GmbH, Weingarten
Monitoring: Mondas GmbH, Freiburg i.Br.
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