Im Freiburger Industriegebiet Nord hat die badenovaWÄRMEPLUS GmbH ein Wärmenetz errichtet, das mit industrieller Abwärme gespeist wird. Diese steht ganzjährig rund um die Uhr zur Verfügung, die Leistung ist jedoch aus produktionstechnischen Gründen auf 6 MW begrenzt.
Mit dem Ziel, möglichst viele Wärmeabnehmer mit dieser kostenlosen Energie zu versorgen, dabei aber stets unter der festgelegten Spitzenlast von 6 MW zu bleiben, entwickelte das Team von mondas GmbH ein intelligentes Lastmanagement, bei dem zahlreiche Optimierungsparameter parallel und in Echtzeit verarbeitet werden.
Das Nahwärmenetz
Im Zentrum des Wärmenetzes steht die Cerdia Produktions GmbH im Industriegebiet Freiburg-Nord. Das Chemieunternehmen mit 800 Beschäftigten am Standort stellt Celluloseacetat-Flakes und -Tow her und verfügt über ein produktionsbedingtes Abwärmepotenzial von 6 MW, das ganzjährig und rund um die Uhr zur Verfügung steht.
Bislang kühlte Cerdia ihre Produktionsprozesse mit Brunnenwasser, das anschließend rückgekühlt und in einen Bach eingeleitet wurde. Nun aber errichtete die badenovaWÄRMEPLUS GmbH auf dem Cerdia-Gelände eine Wärmeübergabestation sowie ein Nahwärmenetz, mit dem Ziel, möglichst viele Verbraucher anzuschließen und mit Abwärme (48°C) zu versorgen.
Größte Wärmeabnehmer im Wärmenetz sind das neue Fußball-Stadion des Bundesligisten SC Freiburg sowie die Neue Messe Freiburg. Weitere Abnehmer sind ein Verwaltungsgebäude der Freiburger Wirtschaft und Touristik FWTM, eine Bankgebäude, ein Fraunhofer-Forschungsinstitut sowie ein Autohaus. Zusammen genommen würde sich eine Spitzenlast aller Wärmeabnehmer von 8,5 MW ergeben, das sind 2,5 MW über der maximal zur Verfügung stehenden Abwärmeleistung. Hier kommt das Intelligente Lastmanagement von mondas ins Spiel.
Stadion SC Freiburg größter Wärmeabnehmer
Der größte Wärmeabnehmer im Nahwärmenetz ist das im Oktober 2021 eröffnete Fußballstadion des Bundesligisten SC Freiburg.
Dort wird die Wärme für die Warmwasserbereitung sowie Raumheizung der Kabinen und Verwaltungsräume und vor allem für die Rasenheizung benötigt.
Mit der Rasenheizung wird das Spielfeld im Winter schnee- und eisfrei gehalten. Auch in den Übergangsmonaten sowie in der Wachstums- und Pflegezeit wird sie benötigt, um die für eine Profi-Rasenqualität erforderlichen Mindesttemperaturen im Erdreich sicherzustellen.
Messehallen Freiburg
Zweitgrößter Wärmeabnehmer im Netz ist die Messe Freiburg. In „normalen Zeiten“ finden hier Verbraucher- und Fachmessen, Großveranstaltungen, Konzerte und Fernsehaufzeichnungen statt. Mehr als eine halbe Million Besucher bei rund 35 Veranstaltungen jährlich machen die Messe zu einer der bedeutendsten Marktplätze der Region.
Der Anschluss an das Abwärmenetz ist für die Betreiberin – die FWTM Freiburger Wirtschaft, Touristik und Messen GmbH & Co. KG – nur eines von vielen Klimaschutzprojekten, mit dem sie ihre Vorbildfunktion im Klimaschutz wahrnimmt. Beispielsweise ist auf dem großen Flachdach seit 2006 eine 650 kWp Photovoltaikanlage installiert, die Messehallen und Konferenzräume mit umweltfreundlichen Solarstrom versorgt.
So arbeitet das Intelligente Lastmanagement
Die mondas® IoT-Plattform hat die aktuellen und künftigen Wärmebedarfe stets im Blick. Bei einem Wärmebedarf größer als 6 MW kann zwar als Notreserve die Abwärme des Dampfkondensats der Cerdia und ein Bestandskessel der Messe genutzt werden. Doch mit dem Lastmanagement soll die Reserve möglichst unangetastet bleiben, womit Mehrkosten für die Abnehmer vermieden werden.
Beim Intelligenten Lastmanagement fließen zahlreiche Parameter zur Wärmenetzoptimierung und Laststeuerung ein.
Auf der Basis von Wettervorhersagen, Veranstaltungs- und Nutzungsplänen prognostiziert die mondas IoT-Plattform die Wärmelast der einzelnen Abnehmer. Es ist also schon frühzeitig bekannt, wo, wann und wieviel Wärmeleistung abgefragt wird. Droht eine Überschreitung der 6 MW-Grenze, leitet sie eine Lastverschiebung in die Wege. Hierbei fließen auch aktuelle Messdaten bei den einzelnen Wärme-Übergabestationen und Heizkreisen wie Wärmeleistung, Wärmemenge, Betriebstemperaturen, Drücke und Betriebsrückmeldungen von Umwälzpumpen in die Berechnung ein.
Mit diesen Daten erstellt die mondas® IoT-Plattform Lastprognosen für jeden einzelnen Wärmeabnehmer und prüft, ob die Gesamtwärmeleistung im Netz in den nächsten Tagen 6 MW voraussichtlich übersteigen würde.
Ist dies der Fall, werden ausgewählte Kunden vorab mit zusätzlicher Wärme beliefert. Die IoT-Plattform sendet dann zunächst über ihre Lastmanagement-Controller einen „Vorschlag“ zur temporären Anpassung der Solltemperaturen, die dann für wenige Stunden um wenige Grad erhöht wird. Hierdurch können thermische Trägheiten als temporärer Wärmespeicher genutzt werden, wie zum Beispiel die Bauteilmassen der Messehallen oder die Erdschichten der Rasenheizung.
Die Betriebssouveränität bleibt beim Kunden.
Eine Regelung und Steuerung „von außen“ kann für manchen Wärmeabnehmer schnell übergriffig wirken. Daher wurde bei diesem Lastmanagement-Projekt von Anbeginn darauf geachtet, dass mondas® nicht direkt in die Heizkreisregelung eingreift. Vielmehr entscheidet die jeweilige Kunden-Gebäudeautomation, ob sie den Steuerungswunsch des Lastmanagements annehmen möchte oder nicht. Lehnt sie ab, fragt die mondas® IoT-Plattform einfach den nächsten geeigneten Abnehmer im Wärmenetz an, um die gewünschte Spitzenlastverlagerung zu erreichen.
Wird der Steuerungswunsch angenommen, schaltet die Gebäudeautomation anschließend wieder auf „Normal-Modus“ – und meldet der Plattform Vollzug.
Fazit
Das Intelligente Lastmanagement im Wärmenetz „SC Freiburg“ zeigt, dass es mit Hilfe der Digitalisierung möglich ist, Energieeinspar-Potenziale – in diesem Fall Abwärmepotenziale – umfassender zu nutzen, als es bislang möglich war:
- Erste Berechnungen ergeben, dass sich mit dem Intelligenten Lastmanagement von mondas 15% mehr Abwärme nutzen lässt als dies ohne Lastmanagement der Fall wäre.
- Die geforderte Einhaltung der Spitzenlastgrenze und Versorgungssicherheit der angeschlossenen Wärmeverbraucher wird jederzeit erreicht.
- Durch den Anschluss an das Abwärmenetz und den aktuell abgeschlossenen Bau einer der weltgrößten Solarstromanlage auf einem Stadion-Dach kann das SC-Stadion künftig als „klimaneutrales Stadion“ bezeichnet werden.
Das Abwärmenetz mit Lastmanagement wurden im Herbst 2021 in Betrieb genommen. Künftige Betriebserfahrungen werden kontinuierlich in die KI-basierten Algorithmen der IoT-Plattform inkludiert und „gelernt“. Das System wird also im Betrieb zunehmend „intelligenter“.